Schüler bauen Stromkreise für die Zukunft, Nachrichten-Artikel vom 23.09.2014 05:50, Hamburger Abendblatt

Norderstedt

Schüler bauen Stromkreise für die Zukunft
Von Michael Schick

Foto: Michael Schick
Michelle, Judith und Fabian (von links) stellen eine Stromschaltung her. Sie müssen die Leitungen entsprechend an den Schalter und die Lampe anschließen

Gemeinschaftsschule Harksheide und Stadtwerke kooperieren. Schüler lernen ganz praktisch, wie Technik funktioniert, und der örtliche Energieversorger will sich Nachwuchs für anspruchsvolle Ausbildung sichern.

Der Test mit dem Spannungsprüfer zeigt: Es fließt kein Strom. "Beide Leitungen müssen unter die gleiche Klemme", sagt Stefan Bäumler. Der technische Ausbildungsleiter bei den Stadtwerken Norderstedt ist diesmal für eine Sonderaufgabe abgestellt. Er unterrichtet keine Auszubildenden wie normalerweise, vor ihm sitzen Schüler. 17 Jungen und sechs Mädchen aus den neunten Klassen der Gemeinschaftsschule Harksheide versuchen, Strom zum Fließen zu bringen. Die Leitungen müssen so verlegt und angeschlossen werden, dass auf Schalterdruck eine Lampe leuchtet.

Links"Kathy kann das", sagt Judith. Und tatsächlich, wer der 15-Jährigen zusieht, merkt schnell, dass sie mit Schraubenzieher und Phasenprüfer umgehen kann. "Ich bastel gern an alten Radios rum", sagt die Gemeinschaftsschülerin, die wie ihre Mitschüler viel Spaß an der Kooperation hat. "Wir kommen mal aus dem Schulgebäude heraus und können praktisch arbeiten", sagen auch Kathys Mitstreiter Michelle, Judith und Fabian. Der regelmäßige Ausflug in die Räume der Stadtwerke gehört zum MINT-Kursus der Schule – die Abkürzung steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Inhaltlich geht es im Wahlpflichtkursus um die Energiewende – um die Frage, wie erneuerbare Energien genutzt und intelligente Netze den Einsatz von Wind- und Sonnenenergie optimieren können.

Da sind die Stadtwerke Spezialisten, schließlich arbeiten sie intensiv daran, wie der Stromverbrauch verringert und gesteuert und wie Energie gespeichert werden kann. Dieses Wissen weiter zu geben, ist ein Ziel der Kooperation zwischen dem lokalen Energieversorger und der Schule. Und ganz egoistisch suchen die Werke Nachwuchs für die tägliche Arbeit. "Schon seit vielen Jahren bilden wir unseren Nachwuchs selbst aus. Fachkräfte, die den besonderen Anforderungen aus Versorgungs- und Telekommunikationsinfrastruktur in Norderstedt gerecht werden, sind am Arbeitsmarkt fast nicht zu finden", sagt Werkleiter Theo Weirich. Da die Zahl der Schulabgänger auf Dauer sinken werde, stünden die Stadtwerke im Wettbewerb mit anderen Betrieben um die Azubis der Zukunft.

Zugleich ist die Kooperation auch eine Initiative gegen den Fachkräftemangel. Gerade im naturwissenschaftlich-technischen Bereich fehlt der Nachwuchs, mit dem neuen Unterrichtsangebot will die Gemeinschaftsschule Jugendliche an den MINT-Bereich heranführen. "Mit unserer Schulform unterstützen wir Schüler und Schülerinnen aller Bildungsgänge in ihren jeweiligen Begabungen und bei dem Ziel, den bestmöglichen Schulabschluss zu erreichen", sagt Schulleiterin Barbara Schirrmacher. Der Übergang von der Schule in die Berufswelt soll erleichtert werden. "Die Mitarbeiter der Stadtwerke lernen euch kennen, bevor ihr euch überhaupt bewerbt." Auch die Lehrer profitierten vom Einblick in die Arbeitswelt.

Die praktische Arbeit helfe den Schülern, Hürden zu überwinden und die Angst vor der Theorie zu nehmen. "Durch die Kooperation mit den Stadtwerken ist die Motivation hoch", sagt der zuständige Lehrer Gordon Dzemski. Ziel sei, ein modernes Haus im Miniaturformat mit Solarzellen und einer zukunftsweisenden Energienutzung und -steuerung zu bauen.

"Die Stadtwerke gehören der Stadt und müssen sich glücklicherweise nicht danach ausrichten, möglichst viel Gewinn für Aktionäre zu erwirtschaften", sagte Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote. So bleibe der Werkleitung und den Mitarbeitern Raum für innovative Ideen. Eine solche Idee war, schon früh leistungsstarke Glasfaserkabel in die Erde zu legen und den örtlichen Kommunikationsanbieter wilhelm.tel zu gründen.

Der mache Norderstedt attraktiv, damit habe sich Norderstedt gegenüber Hamburg profiliert. Damit die Stadtwerke weiter auf dem Markt bestehen und mit der rasant galoppierenden technologischen Entwicklung Schritt halten können, seien motivierte, interessierte und engagierte Mitarbeiter nötig. Und die wolle das Unternehmen auch durch die Zusammenarbeit mit der Schule gewinnen. "Bevor ihr euch woanders bewerbt, denkt an die Stadtwerke", sagte Grote.